Immer wieder begegnen wir dem Vorurteil, dass Heimbetreiber willkürlich überhöhte Pflegesätze berechnen. Da steht z. B. das Argument im Raume:
"Wenn ein Pflegebedürftiger schon über € 3.000 im Monat bezahlen muss, kann er auch etwas dafür fordern!"
Wie also entstehen Pflegesätze?
Sie werden hier mit den Grundlagen für den Antrag auf Pflegesatzverhandlung bekannt gemacht.
1 Das Pflegeheim hat eine Vorstellung davon, mit welchen künftigen Pflegesätzen der Versorgungsauftrag erfüllt werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen, für welchen Zeitraum die neuen Pflegesätze gelten sollen. Schließlich muss der Versorgungsvertrag entsprechend den gesetzlichen Vorgaben über den gesamten Zeitraum eingehalten werden.
Hierbei sind zu berücksichtigen die Personalkosten mit einem Anteil von ca. 80 - 85 % und die Sachkosten mit ca. 15 - 20 %. Ausgehend von den realen Kosten des letzten Abrechnungszeitraumes werden für einen künftigen Zeitraum die neuen Pflegesätze beantragt.
2 Bevor die Pflegesatzkommission überhaupt mit dem neuen Pflegesatzbegehren konfrontiert werden kann, sind
- die Pflegebedürftigen detailliert über den Änderungswunsch
aufzuklären mit den bisherigen Grunddaten und den gewünschten
neuen Grunddaten. Diese haben dann bis 1 Monat nach Festlegung
der neuen Pflegesätze ein Sonderkündigungsrecht, sollten sie mit
den neuen Pflegesätzen nicht einverstanden sein.
- dem Heimbeirat die detaillierte neue Pflegesatzforderung zur Prüfung
vorzulegen. Dieser hat die Möglichkeit, eine Fachkraft im
Finanzwesen zu Rate zu ziehen.
3 Erst mit Zustimmung des Heimbeirates (der Vertreter der
Pflegebedürftigen) kann der Antrag auf neue Pflegesätze an die
Pflegesatzkommission versandt werden.
Dieser Antrag wird den Pflegekassen, dem Landessozialamt (KVJS) und dem zuständigen Sozialamt übermittelt, damit diese sich auf die Pflegesatzverhandlung vorbereiten können.
4 Bei der darauf folgenden Pflegesatzverhandlung sitzen dann die Vertreter der Kassen und der Sozialhilfe dem Vertreter der Pflegeeinrichtung (vergleichbar der Gewerkschaft bei Lohnverhandlungen) gegenüber und unterbreiten ein Angebot dessen, was sie bereit sind, zu genehmigen.
Das Ergebnis dieser Verhandlungen, die sich in der Regel in mehreren Stufen entwickeln, wird schriftlich festgehalten und ist für sämtliche Bewohner der Einrichtung für den festgelegten Zeitraum bindend.
Grundlage für die Berechnung der neuen Pflegesätze ist ein Formular, das von der Schiedsstelle nach SGB XI heraus gegeben wurde. Hier sind die entsprechenden Regeln und Rechenwege hinterlegt. Von diesen kann seitens der Pflegeeinrichtung nicht abgewichen werden.
Mit dem Pflegestärkungsgesetz (PSG II) 2016/2017 haben sich die Rahmenbedingungen grundsätzlich geändert.
1 Für die Pflegegrade 2 - 5 wurde ein eirichtungseinheitlicher Eigenanteil (eeE) eingeführt. Dieser sollte zur Entlastung der Pflegebedürftigen beitragen. Für die Übergangsphase war dies auch zutreffend. Mit der ersten Neuverhandlung änderte sich das allerdings.
2 Für private Pflegeanbieter galten bis dahin Tariflöhne als nicht genehmigungsfähig. Nach dem Willen der Politik sollen sich die Personalkosten künftig auch hier an Tariflöhnen orientieren. Dies führt zu einer deutlichen Steigerung des eeE.
3 Ab September 2019 greift auch für uns die Einzelzimmerregelung. Da sich die Aufwendungen hierdurch nicht wesentlich verringern, führt dies zu einem weiteren Aufschlag auf die neuen Heimentgelte.
Wir wünschen uns, dass die Politik kurzfristig die Finanzierung auf eine andere Basis stellt und damit den eeE für Pflegebedürftige bezahlbar hält.
Im Anhang wird noch in diesem Jahr (2019) für Interessierte eine an die neuen Kriterien angepasste originale Kalkulationsgrundlage für die Pflegesatzverhandlung veröffentlicht. Hierbei handelt es sich um die nach kaufmännischen Kriterien vom Gesetzgeber geforderte prospektive Kalkulation (sie muss den gesamten Zeitraum der beantragten Heimentgelte berücksichtigen).